Es gibt Pflanzen, die werden regelrecht verteufelt und gehören nach Meinung einiger „Experten“ schlicht und einfach ausgerottet. Über einen möglichen Nutzen dieser Pflanze machen sich jene, die sie mit Roden, Feuer oder gar Gift bekämpfen, oft keine Gedanken. Vielleicht sollten sie das aber, denn in den meisten pflanzlichen Eindringlingen steckt mehr, als man denkt. Der Japanische Staudenknöterich ist so eine Pflanze voller Potentiale. Unter diesem Namen als invasiver Neophyt verkannt, wird der pflanzliche Neubürger unter anderen Namen als lebensverlängerndes Heilmittel, vielseitige Nahrungspflanze oder gar als Energiepflanze der Zukunft gepriesen.
Japanischer Staudenknöterich = Monster
Der Japanische Staudenknöterich ist verwandt mit Rhabarber, Ampfer und Buchweizen. Allerdings ist der Einwanderer aus Ostasien im Gegensatz zu den eher krautigen Vertretern der hiesigen Knöterich-Arten ein wahrer Riese. Die knotig gegliederten, entfernt an Bambus erinnernden Stängel können bis zu 30 cm am Tag wachsen und erreichen bis zu vier Meter Höhe. Die Wurzeln der oft dichten Bestände können sich bis zu 6 Meter tief in den Boden graben und Mauerwerk oder Asphalt durchbrechen. Nagetiere, weggespülte Pflanzenteile, entsorgte Gartenabfälle oder Erdarbeiten tragen zur raschen Verbreitung bei. Aus jedem winzigen Wurzelstück kann eine neue Kolonie entstehen und wo der Staudenknöterich einmal Fuß gefasst hat, vertreibt ihn so schnell niemand mehr.
Genau wegen dieser Kraft und Vitalität werden der Japanische Staudenknöterich, der eng verwandte Sachalin-Knöterich und der aus beiden Arten hervorgegangene Bastard-Knöterich erbittert bekämpft. Mit Totalherbiziden, heißem Wasserdampf oder metertiefem Erd-Aushub rückt man den unerwünschten Pflanzen zu Leibe. Das Internet ist von Hasstiraden und Tipps zur Vernichtung von fallopia japonica.
Igniscum = Energiewunder
Wie schizophren die Sicht der Menschen auf Mutter Naturs Geschöpfe manchmal ist, zeigt sich, wenn man stattdessen nach dem Stichwort „Igniscum“ googelt. Hinter diesem Kunstnamen versteckt sich ebenfalls der Staudenknöterich, allerdings findet man nun Anbauanleitungen und Lobpreisungen über selbigen. Als eine der vielsprechendsten Energiepflanzen der Zukunft wird er gerühmt. Dass er selbst auf armen Böden viel Biomasse produziert, ist plötzlich von Vorteil. Verkaufsargumente: Großzügige jährlich mehrfache Ernten auf kleinen Flächen, ein mit Holz vergleichbarer Brennwert, kostengünstige Biogaserzeugung auf einer halb so großen Fläche wie Mais bei 20 Jahren selbstdüngender und schädlingsfreier Dauerkultur. Der Ertrag von einem Hektar Anbaufläche mit Igniscum soll laut aktuellen Studien jährlich 8.000 Liter Heizöl ersetzen. So toll kann Unkraut sein.
Unter dem Namen Milsana® wird der Staudenknöterich übrigens auch als Pflanzenschutzmittel vertrieben. Seine Wirkung kann man sich aber auch zunutze machen, indem man selbst Extrakte in Form von Jauchen oder Kaltansätzen herstellt. Diese stärken die Gesundheit von Nutz-Pflanzen und wirkend vorbeugend gegen Mehltau, Blattpilz und Feuerbrand, Krautfäule bei Tomaten, sowie Schimmelbefall bei Gurken, Erdbeeren, Paprika oder Salat. Durch seine üppige Blütenpracht bis in den späten Herbst ist der Staudenknöterich zudem eine gute Bienenweide.
Polygonum cuspidatum = Jungbrunnen und Heilmittel
Doch damit ist das verwirrende Namensspiel um den Japanischen Staudenknöterich noch lange nicht am Ende. Sucht man nach dem Stichwort „Polygonum cuspidatum“ erfährt man mehr über seine überaus interessanten Wirkungen auf unsere Gesundheit. Schon in der traditionellen chinesischen und ayurvedischen Medizin wurde die Wurzel gegen vielerlei Krankheiten eingesetzt. Wolf-Dieter Storl beschreibt sie unter anderem als antiviral, antibakteriell, pilzwidrig, blutdrucksenkend, entzündungshemmend, schmerzlindernd und blutreinigend. In Kombination mit den Wurzeln der Weberkarde soll sie bei der durch Zecken übertragenen Borreliose helfen. Nach persönlichen Erfahrungen haben Pflanze und Wurzeltinktur durch ihre schleimlösenden, hustenstillenden und bronchialentspannenden Eigenschaften auch sehr gute Wirkungen bei Asthma.
Zudem ist der japanische Knöterich die Pflanze mit dem höchsten Gehalt an Reservatrol. Das ist jener sekundäre Pflanzenstoff, der blaue Trauben oder Rotwein so gesund macht. Das Antioxidans wirkt laut aktueller Forschung beispielsweise vorbeugend gegen Herzinfarkt, weil es das „schlechte“ LDL-Cholesterin senkt und die Entstehung von Blutgerinnseln verhindert. Eine Studie von 2010 belegt auch eine antidiabetische Wirkung des Reservatrols, indem es einem erhöhten Blutzucker direkt entgegenwirkt, die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse schützt und die Wirkung des vorhandenen Insulins verstärkt. Andere Studien zeigten positive Effekte des Reservatrols bei Krankheiten wie Arteriosklerose, Arthritis, Glaukom und manchen Autoimmunkrankheiten. In-vitro-Studien zeigten Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit bei der Abtötung bestimmter Krebszellen. Und zumindest im Tierversuch ist auch eine fettabbauende Wirkung des Reservatrols belegt. Die getesteten Mäuse zeigten eine verbesserte Freisetzung und Verbrennung von Fettsäuren aus den Fettzellen und ein gehemmtes Wachstum der Fettzellen. Eine Studie der Charité zeigte, dass der Pflanzenwirkstoff das Gedächtnis älterer Menschen verbesserte, offenbar auch noch bei beginnender Alzheimerdemenz.
Neben den gefäßschützenden, immunstärkenden und krebshemmenden Eigenschaften wird dem Reservatrol auch eine lebensverlängernde Wirkung nachgesagt. Das Antioxidans täuscht dem Körper nämlich eine Kalorienrestriktion vor. Die geringere Nahrungszufuhr ist im Tierversuch eine der zuverlässigsten Methoden, um Lebensdauer und Gesundheit zu verbessern. Reservatrol ahmt diese Wirkung ohne das lästige Hungern nach, in dem es dieselben Gene aktiviert.
Itadori = Leckerbissen
Es gibt also genug Gründe, den Japanischen Staudenknöterich zu bekämpfen, indem man ihn einfach verspeist. Unter dem Namen Itadori wird er in Asien sogar als Gemüse angebaut. Im englischsprachigen Raum wird er ebenfalls zunehmend als interessante Nahrungspflanze entdeckt und auch deutsche Meisterköche wagen sich langsam an ihn heran.
Kulinarisch besonders interessant sind die ganz jungen säuerlich schmeckenden Triebe, die im Frühjahr aus dem Boden schießen. Man erntet sie am besten mit rund 20cm Höhe. Vom Aussehen her sehen sie dann dem grünem Spargel recht ähnlich. Im Geschmack erinnert der Staudenknöterich an Rhabarber. Und genau wie dieser kann er auch in Rezepten verwendet werden. In Kompott, Kuchen oder Konfitüren merkt man nach Zugabe von ein paar Spritzern Zitronensaft kaum einen Unterschied zum Original. Aber auch für würzige Chutneys, als Kochgemüse oder als knackige Zugabe in Salaten eignen sich die Frühlingstriebe. Geschält und in Salz gestippt sind sie ein interessantes Fingerfood. Gebleicht und wie Sauerkraut eingelegt, gelten sie als japanische Delikatesse. Wenn man das Reservatrol erhalten will, sollte man die Triebe unbedingt roh verzehren, denn der Pflanzenstoff ist hitzempfindlich. Sie wachsen ziemlich schnell und werden dann holzig und ungenießbar. Wenn man die größeren Stängel aber regelmäßig entfernt, treibt die vitale Pflanze immer wieder neue zarte Triebe nach. Sogar im Winter kann man mit einigen Wurzelstücken im Blumentopf in der warmen Stube frische Triebe ernten.
Wie der verwandte Rhabarber, so enthält auch der Staudenknöterich Oxalsäure, welche Kalzium aus dem Körper an sich bindet. Menschen mit Osteoporose oder Nierenproblemen sollten deshalb nur geringe Mengen davon essen. Ansonsten ist beim Verzehr von Japanischen Staudenknöterichs von gesunden Böden kaum Nebenwirkungen zu erwarten, Schwangeren wird jedoch vom Verzehr abgeraten.
Wichtig ist es noch zu wissen, dass die Pflanzen Schmermetalle und Giftstoffe in großen Mengen aus dem Boden aufnehmen können, weshalb sie mancherorts auch zur Sanierung kontaminierter Böden eingesetzt werden. Damit man sich beim Verzehr von wild gesammelten Pflanzen nicht vergiftet, sollte man deshalb genau schauen, wo man erntet und nur naturbelassene Standorte wählen, bei denen eine Vergiftung des Bodens ausgeschlossen werden kann. Zudem sollte man beim Sammeln darauf achten, dass man nicht zur ungewollten Verbreitung der Pflanze beiträgt, da jedes kleine Wurzelstück neu austreiben kann.
Sogar im Wildkrautgarten hat der Japanischen Staudenknöterich verschärfte Haftbedingungen. Um sicher zu gehen, dass er sich nicht unkontrolliert ausbreitet, erfolgt der Anbau nur im Topf. Allerdings bieten auch die eingesperrten Knöteriche eine reichliche Ernte und sollte diese mal nicht reichen, kann man ja auch auf die zahlreichen Pflanzen der Umgebung zurückgreifen und so ein wenig bei der Eindämmung dieses Gewächses helfen. Viel Spaß beim Probieren der Rezepte.
Fröhliches Wildkräutern!
Der Wildkrautgarten
(c) Mandy Bantle 2014
Itadori-Frühlingsrollen
Eine Packung dünne Glasnudeln mit kochendem Wasser übergießen und 10 Minuten ziehen lassen. Eine Handvoll frische Frühlingstriebe vom Japanischen Staudenknöterich schälen und in feine Streifen schneiden. Mit einer halben Handvoll fein gewiegter Vogelmiere oder Petersilie, 3 Esslöffeln Löwenzahnblütenblättern, 2 Esslöffeln gehackten Frühlingszwiebeln und 4 Esslöffeln geraspelten Möhren in eine Schüssel geben und mit den abgetropften Nudeln gut vermischen. Blätter von asiatischem Reispapier für etwa 15 Sekunden in warmem Wasser einweichen, bis sie biegsam sind, mit einem Klecks der Nudelmischung füllen und zur Frühlingsrolle falten. Für eine Viertelstunde kühl stellen und mit süß-scharfer Asia-Sauce servieren.
Frühlingssushi (ca. 3 Rollen)
125 g Sushi-Reis nach Packungsanleitung zubereiten und abkühlen lassen. 1 Esslöffel Reisessig mit ½ Esslöffel Zucker und ½ Teelöffel Salz kurz aufkochen lassen und den Reis damit aromatisieren. Pro Rolle 4 große Bärlauchblätter überlappend auf eine Sushi-Matte legen und eine ca ½ cm dicke Reisschicht darauf festdrücken. 3 bis 4 dünne rohe, blanchierte oder sauer eingelegte Frühlingstriebe vom Japanischen Staudenknöterich längs und mittig auflegen. Das Ganze zu einer Sushi-Rolle formen und in mundgerechte Stücke schneiden. Mit Soja-Sauce und Wasabi servieren.
Marmelade vom Staudenknöterich
Rund ein Kilogramm blattlose Frühlingstriebe vom Staudenknöterich in 2 cm größe Stücke schneiden und mit 100 g Zucker, 50ml Wasser und einer Prise Salz 20-30 Minuten bei geringer Hitze köcheln lassen. Heiß in sterilisierte Gläser füllen.